ÜBER DAS ZARTE,

DAS SCHÖNE UND DAS,  

WAS ANSONSTEN ÜBERSEHEN WIRD.

 

Christoph Simonsen, Hochschulpfarrer in Aachen, hat anlässlich einer Ausstellung mit meinen Bildern („Leucht:stoffe“) wunderbare Worte zur Fotografie und zu meinen Bildern gefunden. Danke, Christoph.

 

“Der Ball ist rund”, dieser Erkenntnis kann keiner in den nächsten Tagen und Wochen entfliehen. Jetzt und hier dürfen wir dem Runden aber ein wenig Pause gönnen und uns dem Eckigen zuwenden, den fotographischen Arbeiten von Andreas Fuhrmann, den ich jetzt noch einmal herzlich begrüßen darf. Das schöne beim Eckigen ist, dass ich alles auf einem Blick wahrnehmen kann; ich muss nichts drehen und wenden. Ich hab das Ganze vor mir und erkenne die Grenzen rechts und links, oben und unten. Ich hab das Ganze vor mir und sehe doch nur einen Ausschnitt vom Ganzen. Dass eine Fotographie die Wirklichkeit (und man könnte verdeutlichend zufügen: nur) ablichtet, sie sozusagen dokumentarisch festhält, ist ein Trugschluss. Denn grundsätzlich gilt: Bilder zeigen etwas, aber sie verweisen anderes, auf Tieferes, auf Dahinterliegendes, auf Verborgenes. Fotographie, die Arbeit von Andreas Fuhrmann, ist deshalb Kunst, weil sie Wirklichkeit verfremdet . Dabei ist die Verfremdung nicht Ergebnis einer Verfälschung.

Die Fotographie zeigt, was ist, aber sie zeigt noch mehr. Mittels der Verfremdung führt sie hin zu einer anderen Wirklichkeit.

Diese Ausstellung “Leucht*Stoff” ist eingebunden in die Heiligtumsfahrt unseres Bistums Aachen. Ausgangspunkt aller Veranstaltungen sind dabei drei Tücher: eine Windel Jesu, das Kleid Mariens und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers. Auch wenn man diese drei Gebrauchsgegenstände innerweltlich nüchtern anschaut, dann handelt es sich doch auch um drei Kunstwerke. Sie stellen etwas Wirkliches, Alltägliches dar, aber sie verweisen auf eine andere Wirklichkeit, auf die Wirklichkeit des Glaubens. Wer diese drei Tücher mit den Augen des Glaubens sieht, der erkennt in ihnen die Menschwerdung Gottes, die Bindung Gottes an eine Frau und das Martyrium eines Freundes Gottes.

Wer die Arbeiten von Andreas Fuhrmann sieht, der sieht vordergründig Alltägliches. Aber so, wie das Auge des Glaubens in den drei Tüchern Heiliges erkennt, so erkennt, wer die Bilder von Andreas Fuhrmann betrachtet, nicht minder das Heilige im Weltlichen.

Andreas nimmt mittels seines Blickes durch den Sucher seiner Kamera in dem unüberschaubaren Ganzen der Welt einen Ausschnitt wahr und verleiht dem Mikrokosmos eine neue Bedeutung, misst dem Kleinen und Unbedeutenden eine neue eigene Würde, eine Achtsamkeit bei. Der ruhige Blick eines Mönches zum Beispiel oder die Falten eines Kleides. Wann habe ich einem anderen wohlmeinend in die Augen geschaut? Wann habe ich der Schönheit eines Menschen Beachtung geschenkt? Wann bin ich der Schnelligkeit des Lebens das letzte Mal ausgewichen und meine Schritte langsam gesetzt? In den Bildern, zumal in den Ausschnitten zeigen sich Geschichten und werden neue Geschichten geschrieben. Genau so die drei Tücher aus dem Marienschrein: Mit ihnen werden Lebens- und Glaubensgeschichten sichtbar: Das ganze der menschlichen Hoffnung und der Sehnsucht fokussiert sich in diesen Textilien. Das einzelne und das Ganze, das Reale und das Geglaubte in Beziehung zu setzen, dazu lädt die Ausstellung von Andreas in der Heiligutmsfahrt ein.

Was mich beim Betrachten der Arbeiten von Andreas immer wieder in den Bann zieht, das ist aber nicht nur die Liebe zum Kleinen, Unscheinbaren. Faszinierend finde ich, dass er genau das sieht, wenn er das ganze anschaut. In dem ganzen Wusel des Alltags erkennt er das Zarte, das Schöne, das, was ansonsten übersehen wird. Und selbst das Unscheinbarste und Alltäglichste wird durch das Festhalten im Bild zu einem Schönen. Wer mich kennt, der weiß, dass mir solche Plattitüden ansonsten fremd sind, aber hier ist es scheinbar wirklich so: Das Leben ist schön. die Arbeiten von Andreas zeigen immer wieder von Neuem, dass, wer achtsam, sorgfältig, würdig schaut, auch Achtenswertes, der Sorgfalt anvertrautes, Würdevolles findet. Ich weiß, dass das Leben komplizierter ist und die Realität alles andere als immer nur rosarot ist, aber wer achtsam schaut, der erkennt wohl wirklich auch im Blassen die wärmende Farbe und im Zerrissenen das Ganze. Dieser Blick ändert die Welt nicht, aber sie ändert den Betrachter und die Betrachterin, und so ändert sich indirekt auch die Welt.

Die Fotographien von Andreas sind, ebenso wie die Heiligtümer des Aachener Domes, Zeichen der Zuversicht, Zeichen der Gegenwart Gottes. Sie sind – um es glaubend zu sagen – neue Sakramente der Gegenwart Gottes in unserer realen Welt.<<

 

Hier ein [ k l i c k ] zu den Bildern der Ausstellung auf meiner Seite pistaziengruen.de